Scheinwelt (German Edition) by Linnemann Michael

Scheinwelt (German Edition) by Linnemann Michael

Autor:Linnemann, Michael [Linnemann, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Amazon Publishing
veröffentlicht: 2015-02-17T16:00:00+00:00


20

Robert Waser führte Jennifer und Arnold in den Untersuchungsbereich, der sich im Ostflügel befand. Der dortige Verhörraum glich jenen, die sowohl in der BKA-Zentrale als auch in jeder größeren Polizeidirektion zu finden waren: Er umfasste vierzehn Quadratmeter, war kahl und ziemlich deprimierend. In der Mitte des Raumes standen lediglich ein Tisch und drei Stühle; sie waren im Boden verankert, damit niemand sie als Waffe benutzen konnte.

Über dem Tisch waren zwei Leuchtstrahler angebracht. Sie hingen parallel zueinander und erzeugten ein unnatürliches Weiß, das dem Raum eine beklemmende Atmosphäre verlieh. In die Westwand war ein Venezianischer Spiegel eingelassen. Dahinter lag der Beobachtungsraum. Er diente einem Ermittler unter anderem dazu, gezielt auf Mimik und Gestik des Befragten zu achten. Obwohl mittlerweile so gut wie jeder so einen Trickspiegel kannte, wurde er weiterhin eingesetzt. Er konnte nämlich auch dazu führen, dass sich ein Befragter von Beginn an auf eine bestimmte Weise verhielt, weil er ahnte, beobachtet zu werden – selbst wenn niemand hinter dem Spiegel stand. Unruhe. Unsicherheit. Nervosität. Allein durch einen Spiegel. Psychologische Tricks.

In der rechten oberen Ecke hing eine Videokamera. Ein rotes Licht blinkte; alles, was im Raum geschah, wurde aufgezeichnet. Mit Bild und Ton.

Jennifer und Arnold betraten den Raum und setzten sich auf die beiden Stühle, die vor dem Tisch standen. Waser teilte ihnen mit, den Gefangenen Noller herzuholen.

»Ich hasse diese Räume«, stieß Jennifer aus, als sie sich umsah. »Da fühlt man sich wie eine Maus in der Falle.«

»Deshalb sind sie so effektiv«, erwiderte Arnold.

»Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn Noller uns sofort den Namen seines Komplizen nennen würde und wir wieder verschwinden könnten.«

»Träumen darf jeder.« Arnold rieb sich wieder den Bauch und verzog das Gesicht. »Das gibt’s doch nicht.«

»Schon wieder Schmerzen?«, fragte Jennifer.

»Ja. Krampfhafte Stiche. Fühlt sich an wie eine Kolik.«

»Dann solltest du nicht hier sitzen, sondern zu einem Arzt gehen.«

»Ach was. Das geht schon. Ich habe …« Arnold schrie leicht auf. »Scheiße. Ich verschwinde aber noch einmal kurz auf der Toilette, okay?«

»Klar, ich schaffe das auch alleine. Fahr zu einem Arzt und lass dich durchchecken.«

»Damit der Voodoopriester irgendwelche Chemikalien in mich reinstopfen kann? Vergiss es. Ich bin kein Versuchskaninchen. Die paar Stiche machen mir nichts … aus.« Er stand stöhnend auf und ging zur Tür. »Was könnte ich denn nur Falsches gegessen haben?«

Jennifer drehte sich um und sah ihm nach. Er öffnete die Tür, verschwand auf dem Flur und stöhnte erneut kurz auf. Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, saß Jennifer alleine in dem beklemmenden Raum. Sie blickte zum Spiegel, betrachtete ihre Haare, ihr Gesicht, ihre Augen. In dem matten Weiß wirkte sie wie eine lebende Tote. Fahl, ausgelaugt und abgespannt. Dabei fühlte sie sich eigentlich ganz gut. Sie war körperlich und geistig fit, konnte sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren und verspürte einen positiven Nervenkitzel. Sie würde den Täter fassen und hinter Gitter bringen.

Mit meinen eigenen Methoden.

Als die Tür wieder aufging, traten zwei Männer ein. Waser brachte Ralf Noller in den Raum. Der Häftling war zwar klein, dafür aber recht breit. Seine schwarzen Haare wirkten verklebt, die Augen zuckten leicht hin und her.



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